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Leben im Krieg in der Heimatgemeinde

 Der Zweite Weltkrieg – ein Thema, das fesselt, schockiert und berührt. Ein Thema, das nicht nur aus Daten, Zahlen und Fakten besteht, sondern viele unterschiedliche Schicksale vereint und das auch in unserer Zeit nichts von seiner Wichtigkeit verloren hat. Mit diesen Worten haben wir – Carina Mair, Kathrin Lusser und Michaela Schönegger – unsere Diplomarbeit, die wir im Rahmen unserer Ausbildung an der HLW Lienz verfasst haben, eingeleitet. Vor diesem Hintergrund haben wir auch einige Strassenerinnen und Strassener über ihre ganz persönlichen Erfahrungen rund um den Zweiten Weltkrieg befragt und waren immer wieder aufs Neue fasziniert und berührt von ihren spannenden Erzählungen. Einige davon möchten wir deshalb hier kurz vorstellen.

 

Josef Mayr, Altbürgermeister

 

 

Schon im Alter von acht Jahren begann Josef Mayr (vulgo Staffiner, geb. 1934) auf Anraten seines Vaters Tagebuch zu schreiben und kann deshalb noch viel aus dieser Zeit berichten. Er erinnert sich zum Beispiel an die Ängste der Eltern, dass die Kinder mitgehörte Gespräche unabsichtlich ausplauderten und damit die Familie gefährdeten. Deshalb fürchteten sie sich auch sehr davor, die den Kindern in der Schule eingeimpften Aggressionen auszureden.

Josef Mayr erzählte uns auch vom Schulalltag in der Volksschule Strassen, wo die Lehrer im Sinne der NS-Ideologie unterrichten mussten. Wöchentlich wurde in der Früh ein Spruch ins Merkheft eingetragen, der auswendig gelernt werden musste. Der Religionsunterricht wurde verboten und musste deshalb heimlich in der Sakristei abgehalten werden. Dafür spielte Rassenkunde eine große Rolle, es wurde über den germanischen, „arischen“ Echtblutmenschen und die jüdischen und slawischen „Bastarde“ gelehrt. Aber auch die Tieffliegeralarme wirkten sich stark auf den Schulalltag aus. Die Kinder mussten sich auf dem Boden unter Fensterhöhe verstecken, denn man fürchtete die Bordwaffen, die besonders auf Fensterfronten zielten. Am Ende des Schultages fand immer ein Antritt am Schultor statt, der der vormilitärischen Disziplinierung diente.

 

Feuerwehrfrauen in Heising ca. 1945, von links: Amalia Valtiner,vlg. Vâltner Male (1926-2009), Maria Schett, vlg.Tolder Moidl (1915-2006), Filomena Valtiner/Vâltner oo Engeler (1921-2004), Filomena Steidl, vlg. Huiber Menl oo Bürgler/Schneider in Abfaltersn (1920-2012), Maria Klammer, vlg. Schuister Moidl (1907-1992), Maria Mair/Bassgeiger oo Häusler (1913-1994)

 

Da die Männer an der Front dienten, mussten in Strassen die Frauen sogar die Feuerwehr stellen. Sie mussten außerdem, nur mit Hilfe der Kriegsgefangenen, den Hof bewirtschaften und den Betrieb leiten. Das war aber sehr kompliziert, da aufgrund des Personenstandes eines Hauses der Kalorienbedarf festgelegt wurde. Die Erträge, die benötigt wurden, um diesen zu decken, durften behalten werden, alles Überflüssige musste abgeliefert werden.

Laut Josef Mayr gab es in Strassen auch eine Hitlerjugend, deren Beitritt ab zehn Jahren Pflicht war. Im „Lenzer Garten“ wurden Schießübungen durchgeführt, wobei einmal auch der Kreisjugend- und der Gaujugendführer anwesend waren und laut brüllten.

 

Anna Pircher, Geigerbäuerin

 

                                     

 Am Asthof in Sillian, wo Anna Pircher (vulgo Geiger, geb. 1939) ihre Kindheit verbrachte, waren zwei Zwangsarbeiterinnen beschäftigt. Sie hießen Dania (Nachname nicht bekannt) und Maria Zelluiko und stammten aus Russland. Die beiden jungen Frauen wurden vom Gestapo-Kommandanten Georg König schwer misshandelt und erst auf Bitten des Asthofbesitzers hin wieder freigelassen.

Die beiden Asthöfe wurden bei einem Bombenabwurf, der eigentlich den Sillianer Bahnhof treffen sollte, vollkommen zerstört. Gott sei Dank wurden keine Menschen verletzt, die Bewohner mussten aber zu Verwandten nach Villgraten ziehen. Später erhielten sie dann von den Engländern Baracken, die anstelle der Höfe aufgebaut wurden. In den Baracken gab es keine Betten, nur Strohsäcke dienten als Schlafstätte und das Wasser musste vom Brunnen geholt werden.

 

Anton Schett, vlg. Schupfer

 

                                                       

 Sieben – eine Zahl, die das Leben von Anton Schett (vulgo Schupfer Tate, *1917  +2016) aus Hof bestimmte. Nicht nur, dass er nach der Volksschule sieben Jahre als Viehhüter und dann weitere sieben Jahre als Knecht arbeitete, sondern er musste auch sieben Jahre im Zweiten Weltkrieg dienen. Nach der Musterung in Sillian kam er nach Villach zur Ausbildung für die Gebirgsdivision. Weitere Stationen waren dann die Tschechei, Polen, Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen. Trotz seines hohen Alters erinnerte sich Anton Schett bis zuletzt genauestens an Details und Erlebnisse aus dieser prägenden Zeit während des Zweiten Weltkriegs. Manchmal konnte er sogar das Datum und die genaue Uhrzeit bestimmter Ereignisse wiedergeben.

So berichtete er zum Beispiel vom Oktober 1940, als er mit neuen Schuhen tagelang im Regen marschieren musste und an furchtbaren Schmerzen im Fuß litt. Doch als er dies dem Arzt mitteilte, wollte dieser ihn nicht ernstnehmen. Erst als er sich den Fuß ansah, erschrak er und rief: „Oh Maria!“ Er verbot ihm das Weitermarschieren, doch der Hauptmann reagierte darauf mit folgender Aussage: „Sie marschieren so lange, bis sie umfallen und wenn Sie umfallen, wird sie wohl jemand wegziehen.“ So musste Schett weitermarschieren, bis ihn schließlich ein Sanitäter von seinem Leid erlöste und aus der Kompanie austreten ließ. Daraufhin wurde er in ein Lazarett gebracht und versorgt.

Im Jahr 1947 kam Anton Schett nach sieben langen Jahren als Soldat über Villach und Lienz wieder zurück in seine Heimat Osttirol. Die Zahl Sieben zog sich aber auch weiter durch sein Leben, er übte zwei verschiedene Berufe jeweils sieben Jahre lang aus und bekam schließlich mit seiner Ehefrau Philomena sieben Kinder.

Nur wenige Wochen nach unserem Gespräch verstarb Anton Schett am 3. Dezember 2016 im 100. Lebensjahr.

Wir sind ihm, aber auch allen anderen Zeitzeugen, sehr dankbar, dass sie mit dem Erzählen ihrer Geschichten und Erlebnisse ein Stück ihrer Vergangenheit mit uns geteilt haben. Durch sie konnten wir in die Geschichte unserer Heimatgemeinde Strassen eintauchen und viele spannende und interessante Informationen aus den Gesprächen mitnehmen.

 

   Der Schupfer Tate als langjähriger Feuerwehrmann mit den  Enkelinnen Johanna (links) und Regina (rechts).

 

In eigener Sache: Ich möchte nochmals den drei Maturantinnen für ihren gelungenen Beitrag danken. Es wäre spannend, wenn bald wieder "private Chronistinnen bzw. Chronisten"  einen Artikel mit Fotos zur Verfügungen stellen würden.

Noch eine zweite Bitte habe ich: Wenn jemand interessante Fotos oder andere Bilder bzw. Erinnerungen von "Strassen im 2. Weltkrieg" besitzt, möge er mich bitte anrufen. (Tel. 04846/6569). Herzlichen Dank im Voraus!

 

 

 

 

 

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