Ein Besuch bei der gastfreundlichen Geiger Anna war immer ein Erlebnis. Freudig wurde man von der großen „Labe“ des alten Bauernwohnhauses in die schmucke Stube geleitet. Beim Eintreten fiel gleich eine Mauernische an der Südwand auf, die bei der Renovierung des Wohnraumes extra für ein Standbild des heiligen Josef geschaffen wurde. Anna war überzeugt, dass ihr der Heilige schon in vielen Lebenslagen geholfen hatte. Bei einer Jause entwickelte sich bald ein reges Gespräch über Familie und Arbeiten, in dem man ihre positive Lebenseinstellung kennenlernte. Zum Pfiat Gott wurde man mit einem selbst gebackenen „Breatl“ beschenkt.
Schwere Kindheit
Anna erblickte 1939 als viertes von acht Kindern der Maria Hernegger und des Engelbert Leiter am westlichen Asthof in Sillian das Licht der Welt. Ihre ersten Lebensjahre fielen in die Zeit des 2. Weltkrieges, wobei Anna am 3. März 1945 miterleben musste, wie auch ihr Elternhaus bei einem Tieffliegerangriff auf den Sillianer Bahnhof samt Hab und Gut niederbrannte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Asthofer Kinder gottlob bei ihrer Tante zu Feichtler am sonnseitigen Heinfelsberg in Sicherheit. Eine Baracke diente in der Folgezeit bis zum Wiederaufbau des Hofes mehr schlecht als recht zur Unterkunft.
Jugendliche Lernjahre
Nach der Volksschule erhielt Anna die damals übliche hauswirtschaftliche Ausbildung in der Landwirtschaftsschule Lienz. Ihre ersten Berufserfahrungen sammelte sie durch fünf Saisonen in Ötz und Obergurgl, auch im Schülerheim des Tiroler Bauernbundes in Innsbruck war sie ein Schuljahr tätig. Zwischen diesen Diensten half sie daheim am elterlichen Hof mit. Schon damals zeigte sich ihre Liebe zum Wachsen in der Natur, denn sie war nicht selten schon um fünf Uhr früh im Hausgarten tätig. Trotz der vielen Arbeit kam der Humor nie zu kurz, von dieser Zeit erzählt man sich manche lustigen Begebenheiten.
Bäuerin am Geigerhof
Fleiß, Geschicklichkeit und Tatendrang zeigte Anna schon in jungen Jahren, sodass ihr Männer immer wieder den Hof machten. Schließlich gewann Andreas Pircher, der Geiger Ando aus Strassen, ihr Herz, und im April 1970 läuteten die Hochzeitsglocken. 1971 kam Sohn Andreas zur Welt, fünf Jahre später der zweite Bub Josef. Mit ihrem Mann fand sie jemanden, der ihre Werte und Liebe zum Bauernhof teilte. Mutter und Bäuerin zu sein, das war ihre Berufung und der Geigerhof nun Heimat und Lebensinhalt. Über fünf Jahre kümmerte sie sich auch aufopferungsvoll um den alten Knecht Hans und zwei Jahre um die Magd Brigitte und zeigte so ihre Menschlichkeit. In der Nachbarschaft legte sie Wert auf gute, friedliche Beziehungen. Neben der bäuerlichen Arbeit erlebte sie viel Freude im Garten und am reichen Blumenschmuck.
Abschied vom Leben
Im Sept. 2012 verstarb ihr Mann 78-jährig nach längerer Krankheit. Auch bei ihr selbst zeigten sich Altersbeschwerden mit notwendigen Spitalsaufenthalten. Ab Weihnachten 2022 war sie auf fremde Hilfe angewiesen. In dieser Zeit gaben ihr die beiden Söhne mit aufopfernder Pflege etwas von der mütterlichen Liebe und Fürsorge zurück. Ihr größter Wunsch, bis zum Sterben daheimzubleiben, wurde erfüllt, wobei ihre Schwester Burgl und Nachbarsfrauen bei der Pflege mithalfen. Mit den Worten „I bin gerichtn, es dauert nimma långe“, zeigte sie ihre Glaubensstärke und konnte am 28. November friedlich zu ihrem Schöpfer heimkehren. Ihre sterbliche Hülle wurde in der Geiger Bauernstube für die vielen Beter würdig aufgebahrt. Dem Begräbnis, zelebriert von Pfarrer MMag. Hansjörg Sailer und mitgestaltet durch Verwandte, gaben Kirchenchor und Bläsergruppe den feierlichen Rahmen. Anna Pircher, die wir in lieber Erinnerung bewahren, ruhe nun in Gottes Frieden. KS
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