In ihrem kleinen Geschäft im Schmieder Haus am Westende der „Kübelgasse“ in Strassen war immer etwas los. Es gab Lebensmittel und Gebrauchsgüter aller Art zu kaufen, und wenn man einen Sonderwunsch hatte, versuchte ihn das „Schmieder Nannele“, wie sie von den Dorfleuten liebevoll genannt wurde, zu erfüllen. Meist wurde das Gekaufte in ein kleines Kassaheft geschrieben und erst am Ende des Monats bar bezahlt. Bei größeren Einkäufen lieferte die hilfsbereite Geschäftsfrau die Waren mit ihrem Auto gratis zu ihren Kunden. Ihr Laden entwickelte sich zum Treffpunkt für Jung und Alt, in dem man sich über alle möglichen Themen unterhalten konnte. Nach Ladenschluss blieb Anna noch die abendliche Buchhaltung. Es ist fast unglaublich, wie sie das alles schaffte, nur mit dem gesunden linken Arm, aber mit viel Fleiß, kaufmännischer Tüchtigkeit und einer großen Portion Herz.
Karge und gute Jahre
In der schwierigen Zeit zwischen den Weltkriegen wurde Anna zu Stocker im Ortsteil Hintenburg 1932 als achtes von zehn Kindern geboren. Von ihren vier Brüdern überlebten Josef und Franz das Kleinkindalter nicht. Ein besonderes Schicksal widerfuhr Anna mit zehn Jahren, als ein Impfschaden die Lähmung ihres rechten Armes zur Folge hatte. So musste sie ihr weiteres Leben mit nur einem gesunden Arm bewältigen. Schon beim Besuch der Volksschule Strassen zeigte sie ihr Können in Rechnen, daher absolvierte sie später die Handelsschule in Lienz. Erste berufliche Erfahrungen sammelte sie in Obertilliach und im Mölltal. Im Jahr 1955 übersiedelte sie zusammen mit ihren Eltern und Schwester Liese in das alte Schmieder Haus an der Bundesstraße (heute Dorfstraße), einstiger Besitz ihrer Großmutter Elisabeth. Dort richtete sie ihren ersten Kaufladen ein, der beim Umbau des Hauses 1975 endlich zu einem richtigen Geschäft erweitert wurde. Als Anna 1990 in Pension ging, wurde der Laden zum Leidwesen der umliegenden Bewohner geschlossen.
Eine originelle Frau
Tante Nanne, so hieß sie bei ihren Verwandten, war in ihrem Wesen ein geselliger Mensch. Trotz ihres beruflichen Engagements hatte die Religion in ihrem Leben einen hohen Stellenwert. Sie nahm sich immer Zeit, die heilige Messe in der nahen Dreifaltigkeitskirche zu besuchen und hatte stets ein Herz für Menschen in Not, für die sie gerne und großzügig spendete. Fast im ganzen Oberland kannte man sie auch als Rallye-Tante, die mit ihrem geliebten Auto meist recht laut unterwegs war.
Im Ruhestand
Anna verbrachte mit ihrer Schwester Liese, die den Haushalt führte, bis zu deren Tod 2009 noch eine schöne gemeinsame Zeit, die sie auch in den Folgejahren mit ihrer älteren Schwester Bernadette (+2018) und Nichte Ottilie erlebte. Ihren 90. Geburtstag Anfang August 2022 konnte sie zufrieden im Kreise der Verwandten, Freunde und Nachbarn feiern. In den letzten Lebensjahren wurde Anna von altersbedingten Krankheiten nicht verschont, sodass sie besonders von ihren Nachbarn Rosi und Roland Köck und auswärtigen Pflegerinnen betreut wurde. Wohlvorbereitet kehrte sie im 91. Lebensjahr zu ihrem Schöpfer heim und wurde in der Friedhofskapelle würdig aufgebahrt. Den Begräbnisgottesdienst leitete Pfarrer MMag. Hansjörg Sailer, der Männerchor trug erhebende Gesänge vor und die Angehörigen übernahmen Lesung und Fürbitten. Die Beisetzung im Friedhof wurde von einem Bläsersextett feierlich umrahmt. Anna, die in ihrem Leben viele Jahre der Allgemeinheit widmete, möge nun ruhen in Gottes Frieden! KS
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Fotos: Karl Schett