Zum Titelbild: 29 von 38 Jungbürgern der Jahrgänge 1992-94 kamen zur Gemeindefeier und wurden von Pfarrer und Bürgermeister, Festredner und Jugendsprecher zum aktiven Mitgestalten ermuntert.
Heimat ist Gemeinschaft
Zum einstündigen Festakt im Kultursaal, den ein jugendliches Bläserquintett mit spritzigen Brassklängen belebte, hatten sich Jungbürger, Gemeinderat, Ehrenbürger und Ehrenringsträger sowie einige interessierte Gemeindebürger eingefunden, die Bgm. Franz Webhofer gemeinsam begrüßte. Stellvertretend für seine Kollegen meldete sich Markus Male, zurzeit Präsenzdiener, zu Wort:
"Für uns Jungbürger, die für ihre Berufsausbildung oft auswärts tätig sind, spielt der Begriff Heimat eine wesentliche Rolle. Sie ist mit dem Elternhaus und den vielen Freundschaften, geknüpft in Vereinen und Freizeitgestaltung, eng verbunden. Obwohl unsere Heimatgemeinde mit intakter Natur und gesunder Lebensgestaltung punkten kann, hat sie als Wohnsitz auch Nachteile: wenig Arbeitsplätze, kein Geschäft, beschränkte Möglichkeiten für Kultur und Sport. Hier gilt es einiges in Angriff zu nehmen, bei dem die Mitarbeit von uns jungen Staatsbürgern gefragt ist, damit die Heimat noch lebenswerter wird."
Mut zu neuen Wegen
Festredner Dr. Adalbert Jordan, vielen Jungbürgern aus der Schulzeit bekannt, gab konkrete Hinweise:
Ihr habt jetzt das Alter erreicht, in dem nach der kritischen Betrachtung der Umwelt eure Stunde der Verantwortung schlägt, die selbständiges Denken und Handeln erfordert, damit sich etwas zum Besseren ändert. Seid kritisch gegenüber Aussagen, wie 'Das war schon immer so!', hinterfragt Bestehendes und wagt mutig neue Wege! Da ihr die Berufsausbildung schon teilweise oder ganz abgeschlossen habt, sollt ihr euer Wissen und eure Fertigkeiten nicht nur für das persönliche Fortkommen einsetzen, sondern auch der Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Dorfvereine, wie Musikkapelle, Feuerwehr, Schützen, Sportunion usw., regionale Hilfsorganisationen, z. B. Rotes Kreuz, und nicht zuletzt Gemeindepolitik und Pfarre warten auf eure Mitarbeit.
Dr. Jordan abschließend:
Weitet euren Horizont durch Reisen, engagiert euch vielleicht bei einem Sozialprojekt in Österreich oder sogar in einem Entwicklungsland! Dann seht ihr die Welt und auch die eigene Heimat mit neuen Augen.
Als feierlichen Höhepunkt sprachen die Jungbürger ihr Gelöbnis, unterstrichen es mit der gesungenen Bundeshymne und erhielten von Bgm. Franz Webhofer, Vize-Bgm. Ing. Karl Mair und Dr. Adalbert Jordan als Geschenk das Buch "Tirols Geschichte in Wort und Bild" von Michael Forcher.
8. Platz bei Weltmeisterschaft der Konditoren
Wie erfolgreich junge Menschen bei entsprechendem Engagement sein können, zeigte die 23-jährige Lisa-Maria Valtiner, Jungbürgerin bei der Feier 2009. Die junge Konditormeisterin, beruflich in Innsbruck tätig, nahm als Vizestaatsmeisterin 2010 an der Junioren-Weltmeisterschaft der Konditoren vom 14. bis 15. Nov. 2012 in Sao Paulo/Brasilien teil und konnte den ausgezeichneten 8. Platz erreichen. Bürgermeister und Stellv. ehrten die erfolgreiche Strassenerin mit einem Blumenstrauß. Jungbürger und Gäste waren nun zum Festessen im Gasthof Lenzer eingeladen. Am Abend veranstaltete die Landjugend noch den Stefaniball im Kultursaal, sodass auch die gesellschaftliche Seite beim Tanz mit den "Anraser Spitzbuam" voll auf die Rechnung kam. KS
Lisa-Maria und ihr fertiges Zuckerschaustück
Thema- Welcome to the Jungle
Lisa-Maria und die Weltmeisterin aus Japan
Rede des Jungbürgers Markus Male
Sehr geehrte Festgäste, liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger
Man könnte sich jetzt fragen, warum gerade ich dafür geeignet sein soll, diese Rede zu halten, denn, zugegeben, momentan verbringe ich selbst weniger als ein Viertel meiner Zeit in Strassen. Doch andererseits sind ja sehr viele junge Strassenerinnen und Strassener auswärts um eine höhere Schule zu besuchen, zu studieren, einem Beruf nachzugehen usw. In Innsbruck kommt es einem manchmal so vor, als seien dort mehr Strassener anzutreffen als zu Hause. Hier in Osttirol, insbesondere auch in Strassen, mangelt es in manchen Sparten einfach an Berufsmöglichkeiten für die Jugend und viele Berufsausbildungen können nur in der Landeshauptstadt, wenn nicht noch weiter weg, abgeschlossen werden.
Viele von euch haben diese Entscheidung, Strassen einstweilen zu verlassen, bereits getroffen und viele von euch werden sie noch treffen müssen. Auch ich werde, nach abgeschlossenem Wehrdienst, wahrscheinlich nicht umhin kommen, für die Zeit des Studiums nach Innsbruck, Graz oder Wien zu gehen. Und ich freue mich auch schon sehr auf diese Zeit. Denn ich denke es ist für jeden Jugendlichen vorteilhaft, wenn nicht sogar wichtig, das traute Heimatdorf einmal zu verlassen um mehr von der Welt zu sehen. Um das Stadtleben zu erforschen, die Dorfgesellschaft, wo jeder jeden kennt, gegen eine Stadtgesellschaft, in der man täglich neue Leute kennen lernt, einzutauschen. Nicht umsonst war und ist es in vielen Lehrberufen Tradition, auf "Walz" zu gehen, also Monate bis Jahre auf Wanderschaft zu verbringen und vielerorts seine Dienste zu verrichten.
Aber versteht mich nicht falsch: Ich habe nicht vor euch zur Landflucht zu ermutigen. Ich habe auch nicht vor euch zum hierbleiben zu bewegen. Ich möchte euch das heimkehren ans Herz legen. Denn ich sehe es zwar als wichtig und gut an, den Heimatort mittelfristig zu verlassen, doch mindestens gleich viele gute Gründe kann ich nennen, auf lange Sicht heimzukehren. Gründe, die über die bewiesene Tatsache, dass das Bier zu Hause am besten schmeckt, hinausgehen.
Ein Grund, der mich persönlich dazu bewegt, Strassen als Heimat treu zu bleiben, ist die wunderschöne, vielseitige, aber auch sanftmütige Natur um unser Heimatdorf herum. Wir können uns glücklich schätzen, viel mehr als uns bewusst ist, in solch einer Umgebung zu leben. Seit Jahrzehnten ist Strassen vor größeren Katastrophen verschont geblieben, während andernorts allein in den letzten 10 Jahren 2 Jahrhunderthochwasser stattgefunden haben. Auch was Starkwinde, Erdrutsche, Lawinenkatastrophen usw. angeht sind wir im Vergleich zum Rest der Welt gut gestellt.
Außerdem leben wir an einem Ort wo andere Urlaub machen. Die Schönheit der Gebirgslandschaft lernt man wieder zu schätzen wenn man einige Zeit im Flachland verbringt. Für die Sportlichen unter uns bietet unsere Umgebung im Winter Schigebiete, Rodelbahnen, Langlaufloipen und wunderbare Schitouren, im Sommer Radtouren im Flachen und am Berg, herrliche Wanderziele, Klettergebiete oder einfach nur gemütliche Plätze zum Chillen.
Heimkehren - Zurückkehren in die Heimat. Heimat hat für mich jedoch weniger mit dem Wohnsitz zu tun, als viel mehr mit Menschen. Mit Familie, Freunden und Bekannten.
Für viele der größte Ansporn in die Heimat zurückzukehren ist sicher die Familie. Heim zu Vater und Mutter, in die man uneingeschränktes Vertrauen hat, auf deren Hilfe man immer zählen kann. Heim zu den Geschwistern, mit denen man aufgewachsen ist, die einen länger und besser kennen als jeder andere auf der Welt. Die vergangenen Weihnachtsfeiertage haben sicher die meisten von euch mit der Familie verbracht. Als ihr euch da am heiligen Abend im Kreise der Familie beim Christbaum versammelt habt, hat sich da in euch nicht ein Gefühl von Heimat eingestellt?
Freundschaften, die hier geknüpft werden, halten oft ein Leben lang. Nur hier in meiner Heimat habe ich Menschen getroffen, mit denen mich eine so tiefe Freundschaft verbindet, dass ich auch nach Monaten ohne Kontakt kein Problem damit habe, dort weiterzumachen wo ich aufgehört habe und die Freundschaft immer sofort neu auflebt. Und der Freundeskreis ist hier besonders groß. Im Laufe der Kindheit und Jugend lernt man sehr viele Freunde kennen und schätzen und viele davon bleiben einem auch ein Leben lang erhalten. Das hängt auch mit der hier außergewöhnlich gut ausgeprägten Dorfgemeinschaft und dem reichhaltigen Vereinsleben zusammen. Fast jeder ist in einem Verein tätig, sei es die Landjugend, der Brauchtumsverein, Feuerwehr, Chöre, die Musikkapelle oder die Schützen, und zahllose Freundschaften werden hier, in diesen Vereinen, begründet. So ist für mich jede Probe, mit den Chören wie mit der Musikkapelle, und jede Veranstaltung in der Gemeinde auch ein Treffen mit Freunden.
Und Bekannte? Jeder hier im Dorf ist für mich ein Bekannter. Man kennt jeden und wird von jedem gekannt. Ja, das kann oft nerven und eines der reizvollsten Dinge am Leben abseits von daheim ist sicher die Anonymität. Man kann Stunden und Tage verbringen ohne auch nur einen einzigen Bekannten zu treffen. Trotzdem finde ich es immer wieder schön, hier bekannt zu sein. Dass ich beinahe jeden, den ich treffe, auch kenne. Man grüßt sich, tauscht ein Lächeln aus und freut sich oft auch einen jener Freunde zu treffen. - Ohne das ausgemacht zu haben, völlig überraschend und umso erfreulicher.
Leider komme ich aber nicht umhin, zu bemerken, dass es durchaus auch Tatsachen gibt, die unsere Gemeinde als Wohnsitz, als Heimat, abwerten. Hier muss ich leider fehlende Einrichtungen wie ein eigenes Geschäft, ärzte, Cafés und ähnliches bemängeln. Das sind Dinge, die für die meisten Gemeinden um uns herum eine Selbstverständlichkeit darstellen, und auch für uns darstellen sollten. Hier wäre es an der Zeit für die Gemeinde, etwas zu bewegen - mit Förderungen, Entgegenkommen etc. -, denn ich bin überzeugt, dass diese überlegungen häufig eine Rolle spielen, wenn es darum geht, in unsere Gemeinde heimzukehren oder auch hierher zu ziehen.
Ich muss aber auch sagen, dass die meisten "Auswärtigen" ohnehin diesen Wunsch zur Heimkehr hegen. Die Gründe mögen verschiedene sein, aber nicht umsonst fahren so viele auswärts lebende Strassener fast jedes Wochenende heim. Und viele kehren auch heim. Endgültig. Ob nach Jahren, Jahrzehnten, oder auch erst in der Pension, heimzukehren bereut man nie.
Also, liebe Jungbürger, bitte denkt bei der Entscheidung, wo ihr leben wollt, daran, was für euch Heimat bedeutet und glaubt mir, dass es schwer, für einige sicher unmöglich ist, sich eine neue Heimat aufzubauen. Denn "Heimat ist da, wo ich verstehe und verstanden werde".
Mit diesem Zitat von Karl Jaspers darf ich meine Rede beenden und euch allen eine schöne Feier und anschließend einen heiteren Stefaniball wünschen.
Danke!