über dem Orte Strassen, zu Füßen der hochragenden Jakobskirche, die weit hinauf und hinab ins Oberland grüßt, liegt die Ortschaft Messensee; ihren Namen soll sie haben - so weiß das Volk, - von der alten Römerstadt Messa, die einst hier und an den tieferen Hängen lag und die ein gewaltiger Ausbruch des Turnbaches verschüttete. Aber in Osttirol kennen wir diese "verschütteten Römerstädte" zur Genüge; wir kennen auch die tiefen Löcher, in die hinabgelassene "Harpfstangen" verschwinden; die beim Pflügen einbrechenden Pferde und Ochsen, die zutage gebauten Mauerreste. Wir wissen aber bloß, daß es in all den vielen Schuttkegeln Osttirols (Strassen, Ortbichl, Oberlienz, Matrei, Virgen, Feistritz u.a.) Hohlräume gibt, durch die eine Stange hinunterschlüpfen kann, ohne daß der Hohlraum der Kamin eines verschütteten Römerhauses ist; wir wissen, daß wir fast überall über alten verschütteten Kulturboden gehen, aber der einstmalige Bestand und einer Römer = oder vielleicht noch älteren keltischen Stadt ist bisher bloß am Debantbach bewiesen, wo das alte Agunt lag, für das alte Literaturbeweise, römische Meilensteine und der Friedhofstein der Verehrer des Stadtgenius von Agunt zeugen; eine andere römische Siedlung ist bisher noch nicht bezeugt. Zwar schreiben die alten Geschichtsforscher und Topographen Tirols, Staffler, Muchar, Beda Weber, Tinkhauser, von der Sage der Stadt Messa, aber einer kann sich nur auf den anderen berufen und keiner auf eine Stelle in antiken Werken; am vorsichtigsten ist Tinkhauser, der (1. Seite 532 Anm.) sagt: "Ich möchte dieser Sage nicht soviel Gewicht beilegen, als wie es der sonst sehr bedächtige Muchar tut".
Diese ablehnende Haltung Tinkhausers scheint nun einen Stoß zu erhalten; denn H. Joh. Ortner, Tiefbauunternehmer in Strassen, hat angeregt durch die Grabungen in Agunt in Strassen zu graben begonnen. Und dabei war ihm Erfolg beschieden. Kaum 30 cm unter der Rasendecke" an einer Stelle höchstens 5 cm unter dem Rasen - stieß er auf Mauerkronen. Die Grabungsstelle befindet sich ein paar Dutzend Meter oberhalb (nördlich) der Häuser von Hof (Gem.Strassen), leider mitten in den besten Kulturgründen , sodaß an Grabungen größeren Stils kaum zu denken ist. Nach Auffindung der ersten Mauerkrone wurde in die Tiefe gegraben, etwa 1,80m, und es kamen zwei an der Mauer angebaute Gewölbchen zutage, nach Art jener niedern Heizgewölbe, wie sie auf dem Boden von Agunt schon seit Jahrhunderten bekannt sind, die Zentralheizung römischer Häuser, deren Sinn die Alten nicht verstanden und deren Auffindung der Stadt Agunt den Namen "Zwerglstadt" eingetragen hat. Wenn man schon über die Bedeutung der aufgedeckten Gewölbe streiten könnte, so bestimmen die in Mengen aufgefundenen Hohlziegelreste dieselben eindeutig als römische Heizgewölbe (Hypokausten). Die Temperaturregelung im römischen Hause geschah auf folgende Weise: man unterkellerte das Haus mit niederen (ca. 80 cm hohen) Gewölben und verkleidet die Innenwände des Hauses mit flachen Hohlziegeln, die mit folgenden Taunägeln (Eisennägel in der Form des griechischen Buchstaben Tau oder des lat. großen T) an der Mauer befestigt wurden; diese Hohlziegelschichte stand in Verbindung mit den unterirdischen Heizräumen, so dass im Sommer die Bodenkühle, im Winter die natürliche Bodenwärme, oder, wenn in den Gewölben geheizt wurde, auch die künstlich erzeugte Hitze an den Zimmerwänden emporstieg und so je nach Jahreszeit abkühlend oder erwärmend wirkte. (In unserem Museum kann man an Hand einer schematischen Zeichnung P. Ploners und beim Besehen der Taunägel und der Hohlziegel = (oder Heizröhren=) Reste einen guten Einblick in das Heizsystem eines Römerhauses gewinnen.) Die beiden bloßgelegten Heizgewölbe und die Hohlziegelreste sind m.E. der sichere Beweis dafür, daß es sich bei Ortners Grabung in Strassen um die Reste eines Römerhauses handelt. Die Mauern sind z.T. überworfen; außer den schon genannten Ziegelresten fanden sich noch bemalte Verputzstücke, die gegenwärtig beim Fachmann betr. Röm. Mauer= und Malerwerkes, Dr. Adolf Stoiß an der techn. Hochschule in München liegen und von ihm untersucht werden; Knochenreste, von denen einige menschlich sein können, während die Mehrzahl dem Kleinvieh angehört, eine eiserne Lanzenspitze und ein schmaler, offener, an den Enden verzierter Armreif.
Das sind die Tatsachen, nun die Gerüchte: Lanzenspitze und Armreif wurden im Verein mit den paar Knochen, die dem Urteil des Laien nach einmal einem Menschen gehört haben können, zu einem "menschlichen Skelett, das in der Hand eine Lanze hält und am linken Arm einen Ring trägt". Der Berichterstatter des "Tiroler Anzeiger" machte aus den zwei ( vielleicht menschlichen!) Rippen "zwei menschliche Gerippe"! Die Schulchronik von Strassen weiß vom großen Ausbruch des Turnbaches genau i. J. 1006; es kann aber auch 1030 gewesen sein, wie eine bezirksbekannte Strasser Persönlichkeit in einem Lienzer Amt meldete.
Der grabende Herr Ortner hat leider vergessen, sich um die Grabungsbewilligung beim Bundesdenkmalamt zu bewerben, die nun einmal nach - 11 des Denkmalschutzgesetzes vom 25. September 1923 notwendig ist. Aber er hat zweifellos das Verdienst, bewiesen zu haben, dass in der Gegend von Strassen eine römische Siedlung unter dem Schuttkegel des Turnbachesbegraben liegt. Die Verschüttung geschah durch eine Katastrophe, dies zeigt die überlagernde Erdschichte, nicht wie im ausgegrabenen Teil von Agunt , wo eine lange Reihe von überschüttungen festgestellt wurde. Sonderbar ist, daß die Leute die sagenhafte Stadt "Messa" unter dem Kirchenhügel vermuten, also weit oberhalb der Straße, und auch nur dieser obere Teil der Gemeinde heißt heute "Messensee", der erste wesentliche Fund wurde jedoch unterhalb der Bundestrasse gemacht, eben bei den Hofer = Häusern. (Den Namen "Strassen" erhielt die "St.Jakobs Oblei - Fraktion - der Pfarre Sillian wohl von der "Wirths Taffern an Sandt bey der hochen Linden oberhalb der Landstraßen", die Marx Mayr am 10.Nov. 1635 von Ambrosy Prunner käuflich erwarb.) Wie die römische Siedlung hieß (Messa ?), wann sie verschüttet wurde, das sind Fragen, die heute nicht beantwortet werden können." Ueber die Grabstelle hat der Winter eine 60cm dicke Leichendecke gebreitet; bis sie die Frühlingssonne zerschmolzen haben wird, wird wohl auch über das Dunkel der Römerstadt Messa mehr Licht gebracht worden sein.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Römersiedlung in Strassen mit dem zu Römerzeiten in der Gegend betriebenen Bergbau im Zusammenhang steht, von dem noch Spuren (Mundlöcher, Halden) unterhalb St. Oswald deutlich wahrnehmbar seien; den sonderbar profilierten, glatt gehauenen Stollen im Antimonbergwerk oberhalb Abfaltersbach nennt die Tradition geradezu "Römerstollen" (Der Querdurchschnitt gleicht einer flachen, aufgestellten, oben und unten abgeschnittenen Ellipse). Ich glaube, daß es Tatsache ist, daß alle alten Siedlungen im "römischen Norikum" und damit auch bei uns , auf eine Beziehung zum Handelsweg oder zum Bergbau zurückzuführen sind. Agunt dürfte zu beiden in Beziehung gestanden sein, die Strasser Siedlung zu letzteren. Ich bin Herrn Bergbaudirektor Leopold dafür dankbar, daß er mich auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht hat. Vielleicht wird die Bearbeitung des "durch ein glückliches Unglück" in der Innsbrucker Dogana zutage getretenen Lienzer Berggerichtsarchives durch unseren Landsmann, H. Bauinspektor i.R. Jos. Oberforcher, auch manchen Hinweis auf alte (röm.?) Bergbaue bringen.
Daß oberhalb Strassen der katastrophale Ausbruch des Turnbaches einen See angestaut hat, ist ja heute noch ersichtlich. Die Möser zwischen Strassen und Sillian sind der "Seeboden"; hiezu das Regest (Archivberichte III, Nr. 2890, Pfarrarchiv Sillian) : am Montag nach Dorothe (10.Feber) 1360 "Nicolaus, Sohn des verstorbenen Englein von Mössensee, stimmt dem von seiner verstorbenen Mutter Angnes vollzogenen Verkauf ihres rechten Eigens von 14 Tagwerken Wiese enhalb des Sees zu Mössensee an Chunrat, Sohn des Mainhart ob Tassenberg, zu" . Daraus geht hervor: 1. Daß 1360 der See, von Strassen aufwärts, noch nicht abgeschlossen war, 2. daß damals auch der unterhalb der Bundestraße gelegene Teil der heutigen Gemeinde Strassen noch Messensee hieß.
Lienzer Nachrichten vom 27.11.1931
Strassen.(Ausgrabungen).Angeregt durch die Grabungen in Agunt, hat Herr Johann Ortner, Tiefbauunternehmer in Strassen, es unternommen, auf eigenes Risiko hin auf eigenen Grunde nach Resten der alten , durch den Turnbach verschütteten "und nur im Volksmunde fortlebende "Römerstadt "Messa" zu suchen; es ist auch gelungen, die komplizierten Grundmauern eines Hauses mit untergebauten Heizgewölben bloßzulegen, dabei massenhaft Reste von Heizziegeln, eine eiserne Lanzenspitze, einen Armreif und Knochenreste zu finden. Die Arbeit der nächsten Tage wird ergeben, ob es sich wirklich um die Bloßlegung einer römischen Wohnung handelt."Die nächste Folge der "Lienzer Nachrichten" wird über den Erfolg der durchgeführten Arbeiten und über die Frage "Messa" näher unterrichten . Das "Skelett" mit dem Speer in der Hand und dem Ring am Arm" ist Sage!
Lienzer Nachrichten vom 4.12.1933
Strassen. Zum Artikel "Ausgrabungen in Strassen" in den letzten "Lienzer Nachrichten"ist zu bemerken, daß Herr Johann Ortner nicht auf eigenem, sondern auf fremden Grunde gegen entsprechende Vergütung des Eigentümers, die Grabungen vorgenommen hat. Dem Umstande, dß die aufgedeckten Mauern nur mit einer dünnen Rasenschichte bedeckt waren, ist es zu verdanken, daß in wenigen Tagen ganz ansehnliche Erfolge erzielt wurden. Außer den schon erwähnten Funden wurden noch bemalte Stücke von Mauerverputz ausgegraben. Nach diesen Ausgrabungen und der Bodenformation ist es nicht ausgeschlossen, daß die Sage von "Messa" einen realen Hintergrund hat. Nach der Sage soll nämlich an Stelle der heutigen Gemeindefraktion "Messensee" die Stadt "Messa" gestanden sein, welche infolge Ausbruchs eines oberhalb gelegen Sees verschüttet und übermurt worden wäre.