Anna Aichner gehört zu jener Generation von Frauen, deren Geburtsjahr (1936) in eine politisch und wirtschaftlich schwierige Zeit fiel. Sie mussten ihr Leben selbst in die Hand nehmen oder zeitlebens am Hof ihrer Eltern als Arbeitskraft zur Verfügung stehen. Wie Anna trotz anderer Pläne ihren Lebensberuf fand, ist auch für die jüngeren Bewohner von Strassen interessant, denen Anna weitgehend unbekannt ist.
Kindheit und Jugend
Als drittes von sechs Kindern des Schmiedemeisters Johann Aichner und seiner Frau Notburga 1936 geboren, erlebte Anna im abgelegenen Ortsteil Bach eine fast unbeschwerte Kindheit. Da ihr Vater als Schmied damals noch genug Arbeit hatte und man in der eigenen kleinen Landwirtschaft die notwendigen Lebensmittel erzeugte, litt die Schmieder Familie keine Not. Die Grundausbildung erfuhr Anna durch acht Jahre Volks- und zwei Jahre Fortbildungsschule.
Berufswahl
Anna wollte den Beruf als Köchin erlernen, daher bewarb sie sich bei den Barmherzigen Schwestern in Zams und kam dort in die Küche, aber aus einer richtigen Kochlehre wurde nichts. So wechselte sie als Küchenhilfe an die Klinik Innsbruck. In dieser Zeit lernte sie eine Frau kennen, die sie bat, ihren kleinen Sohn Ernst als Pflegekind anzunehmen. Anna sagte zu und zog mit dem Buben heim nach Strassen. Als die leibliche Mutter nach ca. drei Jahren wieder ihr Kind bei sich haben wollte, gab Anna ihr den Sohn zurück.
Aber nun hatte sie ihre pädagogische Ader entdeckt und bewarb sich ca. 1963 um eine Stelle als Kinderdorftante im SOS-Kinderdorf Nussdorf-Debant. In diesem neuen Beruf hatte sie sehr abwechslungsreiche und fordernde Aufgaben zu bewältigen, z. B. Kinderdorfmütter zu unterstützen oder bei Erkrankung einzuspringen oder die Kinder beim Badeurlaub an der Adria zu begleiten usw. So wurde die Arbeit im Kinderdorf zu ihrem Lebensberuf, den sie mit all ihren Kräften ausübte.
Pension und Krankheit
Als Anna mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert wurde – vor allem Rheuma setzte ihr vermehrt zu – musste sie in Frühpension gehen. Trotz dieser Krankheit und anderer gesundheitlichen Beeinträchtigungen erlebte sie in ihrer Wohnung in Debant noch schöne Pensionsjahre, die sie zum Lesen und Handarbeiten und für einige Ausflüge nützte. Als religiöse Frau unternahm sie auch einige Wallfahrten, wie nach Assisi oder Lourdes. Eine willkommene Abwechslung waren ihr die Besuche von Geschwistern, Nichten und Neffen, dabei frönte man einer ihrer Leidenschaften, dem Kartenspiel. In den letzten Lebensmonaten kamen weitere Krankheiten dazu, die eine Betreuung durch den Sozialsprengel erforderte. Besonders ihre Nichte Gertraud pflegte sie in dieser Zeit mit Hingabe, unterstützt von Nichte Andrea. Anna war auf ihr letzte irdische Stunde gut vorbereitet, die dann am 15. Dez. 2018 doch unerwartet schlug.
Begräbnis in Strassen
Beim Begräbnisgottesdienst in der St. Jakobskirche, den Kirchenchor und Messbesucher mit Gesängen begleiteten, ließ Nichte Andrea die Lebensstationen der Verstorbenen noch einmal Revue passieren. Pfarrer Mag. Hansjörg Sailer betonte, dass Anna den Bewohnern des Kinderdorfes Heimat gegeben und nun selbst ewige Wohnung bei Gott gefunden habe. Auf dem Friedhof erklang für die Marienverehrerin Anna das vierstimmige Magnificat, ein Lob Gottes für alles Große, das er auch in ihrem Leben gewirkt hat. KS
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