Da sein Vater schon 1930 als Fünfzigjähriger die Welt verlassen musste, heiratete seine Mutter ein zweites Mal, sodass Josef auch zwei Halbschwestern hatte. Nach der Volksschule erlernte er wie sein Bruder Lois das Mauerhandwerk, um neben der kleinen Landwirtschaft ein sicheres Einkommen zu haben. Da traf ihn im 2. Weltkrieg der Kriegsdienst, dessen gefährlichsten Einsatz er in Russland erlebte. 1963 wechselte er zur Post und versah seinen Dienst in Innsbruck und Lienz bis zu seiner Pensionierung. Im Jahre 1950 heiratete er im Wallfahrtsort Absam Anna Kollreider, das Knopfer Nannile, das ihm sechs Kinder schenkte. Alle wurden zu tüchtigen Menschen erzogen, die ebenfalls Familien gründeten. Mit den elf Enkel- und drei Urenkelkindern verstand er sich besonders gut und freute sich immer über ihren Besuch. Im Jahre 2000 unternahm er als Achtzigjähriger noch eine Pilgerfahrt nach Lourdes, die ihm Kraft in den Schwierigkeiten des Alters gab. So konnte er im Oktober noch den 95. Geburtstag im Kreise seiner Familie feiern.
Der Niggeler Tate war nicht nur ein Familienmensch, sondern brachte sich mit seinen Talenten in der Dorfgemeinschaft ein. Im Alter von 18 Jahren bewies er seinen Mut, als er im Winter einen Buben aus der Drau retten wollte, dabei aber eine so schwere Unterkühlung erlitt, dass ihm in der Innsbrucker Klinik eine Niere entfernt werden musste. Seine musikalische Begabung stellte er mehr als 25 Jahre als Waldhornist der Musikkapelle Strassen und jahrelang auch der Kirchenmusik zur Verfügung, kurze Zeit wirkte er auch bei der Feuerwehr mit. Bei all seinen häuslichen und beruflichen Tätigkeiten legte er großen Wert auf Genauigkeit und Pünktlichkeit. So mag es Zufall oder Fügung sein, dass sein Todestag genau auf den 14. Dezember fiel, an dem 1994, also vor 21 Jahren, auch seine Frau gestorben war.
Josef Pichler wurde in der Friedhofskapelle aufgebahrt, wo die zahlreichen Besucher seiner gedachten wie auch beim zweimaligen Seelenrosenkranz in der St. Jakobskirche. Am Begräbnistag bewegte sich der Leichenzug nach der Aussegnung unter den Klängen der Musikkapelle auf kurzem Trauerweg in die St. Jakobskirche zum Requiem, dessen musikalische Gestaltung dem Männerchor oblag. Pfarrer Mag. Hansjörg Sailer betonte in seiner Ansprache, dass man besonders in den schweren Stunden des Abschiednehmens mit Gottes Hilfe rechnen könne, der auch dem Verstorbenen beistehe und ihm das Tor zum ewigen Leben öffne. Auf dem Friedhof nahmen die Dorfvereine Musikkapelle, Feuerwehr und Schützen mit ihren Fahnen Abschied, während das Lied vom Guten Kameraden intoniert wurde. Mit dem Niggeler Tate ist der drittälteste Bewohner der Gemeinde von uns gegangen; er möge ausruhen von allen irdischen Mühen und Heimat finden bei Gott. KS