Hie und da musste Agnes Walder, im Volksmund „Trojer Nease“ genannt, nach Sillian oder Lienz fahren, um ein paar Einkäufe zu machen. Wenn sie Glück hatte, nahm sie ein Autofahrer auf dem Weg von Fronstadl zur Bushaltestelle an der Bundesstraße mit. Es konnte aber auch sein, dass sie den weiten Weg vom Heimathof bis zur Dreifaltigkeitskirche zu Fuß zurücklegte und manchmal mit Gepäck auch den Retourweg, ca. eine Stunde lang.
Sieben-Mäderl-Hof
Agnes kam 1923 als vorletzte von sieben Töchtern (Maria, Ida, Flora, Anna, Josefa, Agnes, Aloisia) ihrer Eltern Josef Walder und Anna geb. Unterguggenberger zur Welt. Ihre Kindheit mit einem langen, beschwerlichen Schulweg und ihre Jugend auf dem abgelegenen Bergbauernhof zu „Trojer“ in Strassen/Fronstadl in der Zwischenkriegszeit und während des 2. Weltkrieges verliefen denkbar einfach und karg. Bis 1951 gab es auf dem Hof keinen elektrischen Strom, allein von den Erträgnissen harter Arbeit auf steilen Feldern, fast ohne Maschinen, musste man das Leben fristen.
Einfaches, arbeitsreiches Leben
Obwohl ihr Elternhaus auf der Sonnseite lag, überwogen in ihrem Leben die Schattseiten. Agnes konnte sich als Haushaltshilfe, später als Stockmädchen im Krankenhaus Bregenz und zuletzt als Aufräumerin in der Volksschule Strassen etwas eigenes Geld verdienen, das schließlich zur knappen Mindestpension reichte. Nur wenige Jahre währte für Agnes ein persönliches Glück, aus der die beiden Kinder Gustav und Johann hervorgingen; der ältere war körperlich behindert und starb 1988 35-jährig. Seit ihrer Anstellung in Strassen half sie wieder daheim bei den bäuerlichen Arbeiten mit, geprägt von viel Handarbeit. Als ihre zweitälteste Schwester und Hofübernehmerin Ida - nach kurzer Ehe und frühem Unfalltod ihres Mannes Johann Lechner 1966 - im Alter von 95 Jahren 2011 kinderlos starb, musste man den Heimathof samt Feld und Wald verkaufen. Schon Jahre davor hatte Agnes Aufnahme im Bezirksaltenheim Lienz gefunden, wo sie, stets gut betreut, am 14. Juli als letzte der sieben Geschwister friedlich die Augen für immer schloss.
Begräbnisbesuch von Australien
Die Urne mit den sterblichen Überresten von Agnes wurde in der Friedhofskapelle aufgebahrt, und beim Sterberosenkranz in der St. Jakobskirche gedachte man ihrer. Ihr zweiter Sohn Johann und mehrere Verwandte, darunter Neffe Günther von Australien, der anlässlich seines 70. Geburtstages auf Heimatbesuch weilte, nahmen mit vielen Dorfbewohnern am Begräbnis teil. Aushilfspriester Johannes Feyan Xu aus China zelebrierte das Requiem, und der Kirchenchor tröstete auf dem Friedhof mit dem Lied „Gott mit uns auf unsern Wegen“. Es galt besonders Agnes, die nach einem langen, beschwerlichen Lebensweg nun Heimat gefunden hat bei Gott. KS
Zahlreicher Besuch beim Trojer-Hof am Stefanitag 1988: Agnes, Loise und Maria Walder (vorne von links) Foto: Karl Schett