„Ich wünsche euch, dass auch ihr 100 Jahre alt werdet“, so hat die 100-jährige Theresia, liebevoll Thresl genannt, ihren Gratulanten scherzhaft geantwortet. Mit erstaunlicher Rüstigkeit überstand die Jubilarin die Feierlichkeiten zum Lebensjahrhundert, die mit dem Besuch von Bürgermeister Franz Webhofer am Geburtstag, 4. Jänner, und der Dankmesse mit Bischof MMag. Hermann Glettler am nächsten Tag ihren Höhepunkt erreichten.
Kindheit mit Schicksalsschlägen
Als Jüngste von drei Buben und zwei Mädchen der Eheleute Maria und Johann Kollreider vlg. Mesner, die seit Jahrhunderten diese Aufgabe in St. Oswald/Kartitisch erfüllten, wurde Theresia 1920 geboren. Als sie zwei Jahre alt war, kam ihr Bruder Oswald als sechstes Kind zur Welt. Noch bevor sie zur Schule ging, starb ihre behinderte Schwester Maria mit zehn Jahren. Wegen Arbeitsüberlastung der Mutter nahm Theresia ihren kleinen Bruder in ihre Obhut, und sie blieben zeitlebens eng miteinander verbunden. Theresia war eine ausgezeichnete Schülerin, sodass sie der Vater sogar nach Brixen zu ihrem Onkel schicken wollte, um Italienisch zu lernen; dazu kam es aber nicht. Ein großes Unglück traf die Familie 1935, als der älteste Sohn Hansl auf der Jagd im Schustertal tödlich abstürzte.
Suche nach Lebensaufgabe
Die Mithilfe im Elternhaus und in der Landwirtschaft war ihr erster Beruf. Während des 2. Weltkrieges, als alle drei Brüder einrücken mussten – Peter und Tone wurden verwundet, Oswald schwerst verletzt – war sie zuhause unentbehrlich und fungierte infolge des Männermangels sogar als Spritzenmeisterin bei der Feuerwehr. Nach dem Krieg folgten verschiedene Beschäftigungen, wie als Hausgehilfin bei Dr. Franz Kollreider auf Schloss Bruck, in Wien als Küchen- und Ordinationshilfe sowie im Sommer 1956 als Bedienstete im Postamt Kartitsch. Zwischenzeitlich half sie ihrem Bruder Peter in der Schneiderei, der Jausenstation und der kleinen Landwirtschaft.
Beim Künstler Oswald
Im Feber 1960 zog sie mit ihrem Bruder, dem akad. Maler Oswald Kollreider, nach Strassen und führte ihm den Haushalt, zuerst in der Dachwohnung im Gemeindehaus, dann durch über 25 Jahre im Haus Rosa und schließlich mehr als 20 Jahre in der heutigen Gemeindehauswohnung. Obwohl sie sehr kinderliebend war, blieb sie unverheiratet und fand in der Begleitung ihres Bruders ihre Lebensaufgabe. Durch ihn waren Theresia viele Reisen möglich: zehnmal ins Hl. Land, in viele europäische Staaten, in zahlreiche Orte und Wallfahrtsstätten Österreichs und zu vielen Kunstausstellungen ihres Bruders. Dadurch lernte sie viele Menschen kennen, denen sie sich zuhause großzügig und gastfreundlich zeigte.
Viele Talente
In Kartitsch war Theresia eine ausgezeichnete Theaterspielerin, sang dort auch im Kirchenchor und schmückte viele Jahre die Heimatkirche St. Oswald. In Strassen entfalteten sich ihre künstlerischen Fähigkeiten – gefördert durch ihren Bruder – noch weiter. Nach Einweihung der renovierten Dreifaltigkeitskirche 1979 sorgte sie in ihrer unnachahmlichen Art zehn Jahre allein für den Kirchenschmuck. Mit ihrem schöpferischen Talent gestaltete sie zu den verschiedensten Anlässen prächtige Erinnerungskerzen, mit tausenden Stichen schmückte sie wunderschöne Decken, Behänge und sogar Messkleider.
Bis vor sieben Jahren schafften Theresia und Oswald, unterstützt von Verwandten und Bekannten, ihren Haushalt selber. Dann war eine Ganztagspflegekraft notwendig, wobei Nichte Maria und vor allem Großneffe Andreas stets regelmäßige Besuchsdienste machen. Den Tod ihres 95-jährigen Bruders Oswald im Juli 2017 konnte sie unerwartet gut verkraften. Am Ende eines Bischofsbesuches vor zwei Jahren versprach dieser, bei ihrem 100. Geburtstag wiederzukommen. Tatsächlich nahm sich Bischof Glettler Zeit und feierte mit der Jubilarin und vielen Verwandten und Bekannten im künstlerisch ausgestatteten Wohnzimmer eine Dankmesse mit Bischofsegen, bevor die unvergessliche Geburtstagsfeier beim Festmahl im Hotel Strasserwirt einen würdigen Abschluss fand. KS
https://gemeinde-strassen.at/live/k2-archiv-2/item/790#sigProId2a39b805bf